Wiener Philharmoniker
Kaum ein anderer Klangkörper wird dauerhafter und enger mit der Geschichte und Tradition der europäischen Musik in Verbindung gebracht als die Wiener Philharmoniker.
Weltweit einzigartig ist die Beziehung zwischen dem Orchester der Wiener Staatsoper und dem Verein der Wiener Philharmoniker. So kann gemäß den derzeit gültigen philharmonischen Statuten nur ein Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper Musiker bei den Wiener Philharmonikern werden. Vor der Aufnahme in die private Vereinigung muss also ein Probespiel für die Aufnahme in das Orchester der Wiener Staatsoper gewonnen werden. Nachdem diese Hürde genommen ist, gilt es, sich mindestens drei Jahre im täglichen Orchesterdienst zu bewähren, bevor der Antrag auf Mitgliedschaft im Verein der Wiener Philharmoniker gestellt werden kann.
Die Faszination, die das von Otto Nicolai gegründete Orchester seit seinem ersten Konzert auf die größten Komponisten und Dirigenten sowie auf das Publikum in aller Welt ausübt, beruht neben der bewusst gepflegten, von einer Generation an die nächste weitergegebenen Homogenität des Musizierens auf einer einzigartigen Struktur und Geschichte: Die Notwendigkeit, den sinfonischen Werken Mozarts und Beethovens in deren Heimatstadt kongeniale Interpretationen zu ermöglichen, führte 1842 zum Entschluss der Musiker des (Hof-)Opernorchesters, unabhängig von ihrem Theaterdienst in künstlerischer und unternehmerischer Eigenverantwortlichkeit „philharmonische“ Konzerte zu veranstalten. Dafür war nur eine einzige Organisationsform geeignet: die Demokratie, um welche sechs Jahre später auf politischer Ebene blutig gekämpft wurde. Dieser eingeschlagene Weg der philharmonischen Selbstverwaltung und Demokratie wurde in mehr als eineinhalb Jahrhunderten lediglich modifiziert, aber nicht verlassen. Allein die Orchestermusiker sind zu Entscheidungen berechtigt und tragen die Letztverantwortung.
Prägend in der Orchestergeschichte nach 1945 war die Zusammenarbeit mit den beiden Ehrendirigenten Karl Böhm und Herbert von Karajan sowie mit Ehrenmitglied Leonard Bernstein. Mit Ton- und Videoaufnahmen, Konzertreisen in aller Welt und der Teilnahme an den bedeutendsten Festivals entsprechen die Wiener Philharmoniker heute vollkommen den Anforderungen des multimedialen Musikbetriebs. Dennoch setzen sie individuelle Akzente wie etwa mit dem Neujahrskonzert, mit ihrer dominierenden Rolle bei den Salzburger Festspielen und mit ihren „Wiener Philharmoniker-Zyklen“ in New York, Japan und Köln sowie dem „Euro-Zyklus“ mit je zwei bis drei Abonnementkonzerten in London und Paris. Trotz dieser Anpassung an moderne Anforderungen gehen sie nicht von traditionellen Prinzipien ab: Sie stützen sich auf Selbstverwaltung, seit 1860 bilden die Abonnementkonzerte die künstlerische, organisatorische und finanzielle Basis ihrer Tätigkeit. Im Jahr 2005 wurden die Philharmoniker zu Goodwill Botschaftern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ernannt. Für ihre künstlerischen Leistungen erhielten sie zahlreiche Preise, Schallplatten in Gold und Platin, nationale Auszeichnungen sowie die Ehrenmitgliedschaft vieler kultureller Institutionen. 2014 empfingen die Wiener Philharmoniker, die seit vielen Jahren regelmäßig in Baden-Baden zu Gast sind, im Festspielhaus den Herbert von Karajan Musikpreis.