Musikalische Märchenstunde
Klassik für Kinder und Kultstück des Spätimpressionismus: Maurice Ravels „Ma mère l’oye“ im Festspielhaus
In seiner Originalgestalt als Klaviermusik zählt die musikalische Märchensammlung „Ma mère l’oye“ zu den regelmäßig aufgeführten Werken von Martha Argerich. Ravel hat die erfolgreichen Stücke auch für Orchester gesetzt, ach was: Der Meister hat mit Orchesterfarben gezaubert.
Doch was bedeutet „Ma mère l’oye“ überhaupt? Der Titel bezieht sich auf eine Gans, die ihren Küken Märchen erzählt – es ist das französische Pendant zu unserer Sammlung Grimm. Nachdem Ravel fünf Märchen für die Kinder eines befreundeten Paares komponierte, ließ er der Suite für Klavier zu vier Händen eine Orchesterfassung folgen und erweiterte diese im dritten Arbeitsschritt zum Ballett. Im Festspielhaus erklingt die Orchesterfassung der Klavierversion: ein Meisterwerk der Ravelschen Instrumentationskunst, die sich einerseits vornehm zurückhält und dabei die ausgesuchtesten Akzente setzt.
Doch welche Märchen werden den Hörern dargeboten? Da wäre zuerst das schlafende Dornröschen. Ihr hat der Komponist den vornehmen Schreittanz „Pavane“ gewidmet. Anschließend verläuft sich ein „kleiner Däumling“ im dunklen Märchenwald. Die Brotkrümel, mit denen er zuvor seinen Weg markierte, wurden nämlich von dummen (in der Musik auch sehr geheimnisvollen) Vögeln aufgepickt. „Laideronnette, die Kaiserin von den Pagoden“ entführt die Hörer nach China, wo sie sich in ihrer Badewanne vorsingen lässt. Schließlich erklingt ein Walzer, in dem die Schöne und das Biest ebenso lustig wie rührend um ihre Liebe ringen. Die Schöne küsst schließlich ihr Biest, das sich sofort in einen Prinzen verwandelt (im Leben verläuft so etwas meist umgekehrt). Das letzte Stück malt mit leuchtenden Orchesterfarben den Zauberwald – womit die Sammlung endet, welche wir Ihnen von ganzem Herzen nahelegen!